Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, aber es ist immer ein einzigartiger Apfel.
Mein Vater war Erkenntnistheoretiker, ein sehr erfolgreicher anthropologischer Unternehmensberater, der seine Thesen schonungslos an mir als Kind ausprobierte, indem er seine anstehenden Vorträge bei Spaziergängen mit mir einübte. Das machte mich schon in sehr jungen Jahren auf mein Gehirn aufmerksam und ich begann im gleichen Maße nach außen wie nach innen zu sehen.
Mit 5 Jahren eingeschult, immer der Jüngste in der Klasse war mein Freundeskreis sehr, sehr überschaubar, das ist bis heute so geblieben. Was macht man dann als Heranwachsender?
Ich begann in den Sachbuchabteilungen der Buchhandlungen und der Büchereien in München zu stöbern und fand vieles, was ich nicht verstand, genau deswegen las ich es. Mit 17 Jahren schloss ich mein Abitur ab und begann Biologie und Physik zu studieren, um mich meinem Kerninteresse weiter und akademischer zu widmen, damals entwickelte sich mein Interesse zunächst für die Einstein’schen Theorien und dann für die aufregenden, der Intuition widersprechenden Ergebnisse aus der Quantenphysik.
1980 entdeckte ich das Gödel Escher Bach Buch von Douglas Hofstadter in der englischen Originalversion und es legte den Grundstein zu meinem Versuch mir aus all den Bausteinen ein eigenes, bewusstes Weltbild zu schaffen, an dem ich bis heute arbeite. Hofstadter beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie es möglich sein kann, dass ein physisches Gehirn so etwas wie eine Vorstellung vom Selbst oder einer Seele (das Ich), ein Gefühl von Bewusstsein entwickeln kann. Eine der Fragen war, ob man innerhalb eines Systems den Überblick haben kann über das System zu urteilen, bzw. es gänzlich zu erfassen.
Eine andere Frage umfasste den Bereich der Selbstreferenz, was im Grunde eine reverse neuronale Flussrichtung oder Erregungsleitung bedeutet.
Ich war in der Zeit schon autodidaktischer Programmierer, oder wie man das in diesem frühen Stadium nennen kann. Ich verstand, wie Computer arbeiteten und wie fragil die Arbeit mit ihnen war. Damals war das „Debugging“, die Fehlersuche und Fehlerbeseitigung sehr mühevoll, aber führte zu einer leider heute noch verbreiteten Betrachtungsweise, dass man den Fehlern auf den Grund gehen kann und sie somit findet und korrigiert. Ich sehe das jetzt nicht mehr so einfach.
Aus meinem Verständnis der Mensch-Maschine Kooperation entwickelte ich ein sehr frühes Musik-Kompositionsprogramm namens „OSCOMP“, die oben beschriebene Fehlersuche nahm sehr viel Zeit und Mühe in Anspruch, die Verbesserung war eine Mammutaufgabe unter den wenigen zu Verfügung stehenden Befehlen und dem sehr beschränktem Speicherplatz.
Die Ergebnisse der daraus resultierenden computererzeugten Musikkomposition waren aus heutiger Sicht primitiv, aber damals herausfordernd, inspirierend und ein Blick in eine Zukunft, die sich nun, 40 Jahre später, schnell entfaltet.
Ich war zunehmend von der Idee fasziniert, den Maschinengeist zu entdecken, „generative“ kreative Prozesse zu starten und damit Werke zu erschaffen. Durch ein kleines Büchlein, welches ich als Jugendlicher in der damaligen DDR gekauft habe war mir klar, dass sich die gestellten Aufgaben am besten durch Teileinheiten lösen lassen, die irgendwie zusammenarbeiten. Wie ein Team von Entwicklern, in der Automatentheorie nannte man sie „Agenten“. Marvin Minsky vom MIT durchdachte diese Richtung mit seinen „Agenten“ System und publizierte „Mentopolis“ in den 90er Jahren, welches mir bekannt vorkam und aus der Seele sprach, es aber erstmals alles deutlich formulierte und klassifizierte.
Die ganze Szene um Automaten, Agenten oder die ersten neuronalen Netze entwickelte sich fühlbar langsam, es schien unendlich lange zu dauern und geriet für mich zur Nebenaufgabe. Generative Automatenkunst fand ich interessant, in technischer Hinsicht stimulierend, aber künstlerisch nicht so sehr, dass ich mich ernsthaft damit beschäftigt hätte.
Ich war damals nicht überzeugt davon, dass die intelligenten Automatismen oder Netzwerke zu meinen Lebzeiten, oder zumindest Berufszeiten eine künstlerisch wesentliche Rolle spielen würden und ich hatte über lange Jahre recht. Vor etwa 20 Jahren begann aber die Szene Fahrt aufzunehmen. Erst langsam, dann schneller, dann rasant und heute atemberaubend schnell.
Als ich 2014 mit meinem Berufsleben abschloss und mich endlich ausschließlich der privaten Kunst widmete, konnte ich beobachten, dass sich über meine Kanäle aus der Forschung und Wissenschaft immer mehr Papers (Veröffentlichungen) zu dem Thema einfanden. Man weiß heute, dass die Büchse der Pandora spätestens mit der Software/Hardware Kombination DeepBlue, die Gary Kasparov im Schach schlug, geöffnet wurde. Bedeutend wurde es für mich mit AlphaGo und dem späteren Ansatz, nicht die Spiele auswendig zu lernen und daraus Muster zu bilden, sondern die Spielregeln zu beherrschen und millionenfach Spiele gegen sich selbst zu spielen, um immer besser zu werden. Machinelearning, das Maschinenlernen war nun auf Standard PCs in kleinem Umfang möglich.
Der für die Öffentlichkeit wahrnehmbare Durchbruch kam dann etwa 2021 mit den bildgebenden künstlichen Intelligenzen (KIs) wie Dall-E und etwa 2022 mit den ersten brauchbaren Large Language Models, den Text KIs wie ChatGPT. Davor gab es viele Zwischenschritte und nun vergeht kein Tag ohne neue Sensationsmeldung auf dem Gebiet.
In den 1980er Jahren arbeitete ich eine Zeit lang mit der wohl ersten „intelligenten“ Computersprache LISP, errechnete damit Schwarmsimulationen in der Computeranimation mit Software der Firma Symbolics. Immer wieder berührte die intelligente Automation mein Leben und meine Berufslaufbahn. Ich verfolgte die Ergebnisse und Erkenntnisse, sie waren aber in meinem Umfeld professionell kaum nutzbar. Bei der Entwicklung meines „FaceTrackers“ im Jahr 1994 versuchte ich neuronale Netze zur Verfolgung von Gesichtsbewegungen einzusetzen, sie waren aber viel zu umständlich und zu langsam, sodass ich auf Assembler zurückgriff, der damals schnellsten und sehr maschinennahen Programmierung. Mit den Fußball Robotern, die ich in der Forschungsrobotik um das Jahr 2008 entwickelte und vertrieb kam wieder Fahrt auf, hier wurde es zunehmend notwendig, sich ein möglichst klares Bild vom Ball und dessen Lage oder Bewegung, dann vom Spielfeld, der Zielrichtung und eventuell sogar von anderen Spielern zu machen. Die Ergebnisse wurden nun besser, zuverlässiger und liefen auf kleineren Rechnern. 2017 wendete ich erstmals die stark halluzinierende Google Software DeepDream an, ein Fernsehbild des letzten Fluges von AIRBERLIN, in die Zukunft geträumt, zeugt davon.
2021 entwickelte ich den Stil meiner „Szenografien“, den KI gestützten szenischen Bildern, die ich bis heute (2023) schaffe. Damals nutzte ich die recht störrische Open Source Software Disco Diffusion auf Cloud Servern von Google. Das wurde in kurzer Zeit viel zu teuer, sodass ich mir einen privaten KI Rechner konfiguriert habe und unabhängig von erkaufter Rechenzeit bei Google wurde. Auch konnte ich KI-Software auf meinem Rechner installieren, seither arbeite ich offline vom Netz, inzwischen mit der Open Source Software Stable Diffusion. Aus Prinzip verwende ich die „hübschen“ geschlossenen Lösungen wie Midjourney oder Dall-E nicht.
Ich versuche in meinen Werken Fragestellungen unserer Welt auf eine neue Weise zu präsentieren und sie erlebbar zu machen, wie eine immersive Beobachtung. Das mache ich seit vielen Jahren bereits in der Installationskunst. Hinter allen Werken steht ein Konzept, nichts ist improvisiert. Deswegen orientiere ich mich an den großen Vorbildern in der Konzeptkunst und habe sie intensiv studiert, um ihre Denkweise zu ergründen. Karlheinz Stockhausen, John Cage, Steve Reich, René Magritte, Marcel Duchamp, Ryoji Ikeda kommen mir sofort in den Sinn und viele mehr. Jeder Einzelne hat für mich meinen Horizont erweitert und meine Sicht auf die Welt und auf die Kunst geschärft.
Meine Methoden, um Kunst auszudrücken und zu erschaffen entspringen fast immer aus modernen Technologien, der Wissenschaft. Meine Darstellung erfolgt nicht auf der Leinwand mit Malfarbe, sondern mit Apparaten und Elektronik, mit Licht und Klang, mit Dampf und Eis, mit Software und Hardware.
Es ist die Wissenschaftskunst, zu der ich mich zugehörig fühle und in der ich wirke. Ich lasse jetzt eine KI (ChatGPT) über Science Art reden:
Wissenschaftskunst (Science Art) ist ein relativ neues Genre in der der Kunst, dass sich mit der Verbindung von Wissenschaft und Kunst beschäftigt. Es entstand in den 1960er Jahren und hat sich seitdem zu einem nicht sehr beachteten, aber für mich wichtigen Teil der Kunstszene entwickelt. Der Ursprung von Science Art liegt in der wissenschaftlichen Visualisierung, die bereits im 18. Jahrhundert entstand. Die wenigen aktiv tätigen Science Art-Künstler nutzen neue Technologien, um wissenschaftliche Konzepte und Daten in künstlerische Werke umzuwandeln. Dies führte zu einer Vielzahl von beeindruckenden Kunstwerken, die die Schönheit und Komplexität der Wissenschaft auf eindrucksvolle Weise zeigen. Science Art bietet somit neue Chancen für die Gesellschaft. Zum einen kann sie die Popularität von Wissenschaft und Technologie erhöhen, indem sie diese Bereiche auf eine neue und faszinierende Art und Weise präsentiert. Zum anderen kann Science Art dazu beitragen, die Verständlichkeit und Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Konzepten zu erhöhen. Science Art hat auch einen hohen Wert für die Gesellschaft. Sie kann dazu beitragen, die Beziehung zwischen Wissenschaft und Kunst zu stärken und das Verständnis für die Bedeutung und die Rolle von Wissenschaft in unserem täglichen Leben zu erhöhen. Zudem kann Science Art zur Förderung des kreativen Denkens und zur Entwicklung neuer Ideen beitragen, was für die Gesellschaft insgesamt von großem Nutzen sein kann. Es ist ein spannendes und dynamisches Genre, das sich ständig weiterentwickelt und immer neue Perspektiven und Sichtweisen bietet.
Das ist völlig in Ordnung aber meine Sichtweise geht weit darüber hinaus. Mir ist die Nähe zu einem erklärenden Exponat in einem Technikmuseum nicht wichtig, das wäre nur ein angenehmer Nebeneffekt. Eine solche Betrachtungsweise führt zu dem von mir auf meinen Ausstellungen vielfache Erlebten „Spielen“ mit meinen Roboterinstallationen. Das sind Betrachter, die die Tiefe der Installation nicht verstehen. Deswegen sind die Erklärung und Einführung in mein Werk sehr notwendig.
Ich versuche hier eine bessere Darstellung:
Science Art tritt noch nicht als Begriff aber als „Intermedia“ Kunst erstmals von Dick Higgins mit anderen Kunstrichtungen systematisch angeordnet 1965 auf, was er in einer sehr anschaulichen Darstellung publizierte.
Die Verbindung von Wissenschaft und Kunst war von je her nichts ungewöhnliches, trat sie aber nur bei besonderen Talenten in den Vordergrund, man nehme Leonardo da Vinci oder Albrecht Dürer, bis hin zu Goethe und vielen anderen. Der Vorteil der Verbindung von Wissenschaft und Kunst, oder Kunst und Wissenschaft, ist das Verbleiben im Bereich der Sinneswelt, was in der Wissenschaft allein nicht möglich ist, denn sie führt aus ihr heraus.
Herstellungstechniken in der Kunst sind detailliert beschrieben, so lässt sich ein künstlerisches Werk bei Betrachtung in eine Kunstform einordnen, wie z.B. Gemälde, Druck, Skulptur, Fotografie, Digitalkunst und viele mehr. Weiterhin kann das Werk dann einer Epoche zugeordnet werden und einer Stilrichtung. Diese Klassifikationen erlauben die handwerkliche, inhaltliche und zeitliche Einordnung des Werkes in das künstlerische Schaffen und damit die Grundlage für eine momentan standhaltige Bewertung der Bedeutung.
Je moderner die verwendete Kunstform ist, desto ungenauer wird die Beschreibung, da sich hier noch keine feste Begrifflichkeit in der Literatur und vor allem in den Köpfen der Betrachter gebildet haben. So ist die mediale Kunst, Mixed-Media Kunst, Installationen, Digitalkunst und ähnliches als Einordnung unscharf und zuweilen missverständlich.
Das gilt auch für die gerade beschriebene, relativ neue Kunstform der Wissenschaftskunst (Science Art). Meist ist bei ihr das Werk an sich schon aus Materialien der Wissenschaft gefertigt, denn diese Kunstform benötigt den wissenschaftlichen Apparat, um ihre Aussage zu formulieren.
Hier sind keine hübsch aufbereiteten wissenschaftliche Laborutensilien gemeint, sondern der Künstler bedient sich meist technischer Hilfsmittel aus der Wissenschaft und benutzt diese, um seine künstlerische Idee (oft auch mit wissenschaftlichem Bezug) auszudrücken.
Was für einen Maler die Leinwand ist, ist für den Wissenschaftskünstler das Gesamtobjekt, die Installation seines Werkes. Was für den Maler seine Farben und Pinsel sind, ist für den Wissenschaftskünstler die technische Apparatur, die er baut oder der Wissenschaft entnimmt, um damit die künstlerische Aussage zu erzeugen. Was der Maler mit seinen Mitteln, mit seinem Handwerk und seinem Talent auf die Leinwand bringt, erzeugt der Wissenschaftskünstler mit seiner Apparatur, seiner Installation. Das kann Licht, Klang, Nebel, Bakterienspuren und vieles mehr sein.
Die Technik ist hier nur „Malmittel“ nicht Selbstzweck. Oft sieht man in der Science Art nur technische oder biologisch-chemische Prozesse. Hier wird mit dem scheinbaren Aufwand und der Faszination technischer oder Laborapparatur geblendet, moderne Scharlatanerie. Wissenschaftliche Phänomene, die für den Betrachter wie ein Wunder wirken, da der Prozess nicht bekannt ist oder durchschaut wird, sind an sich noch keine Kunst, sondern eher Jahrmarktseffekte. Nur weil etwas wundersam ist muss ich es noch lange nicht anhimmeln. Phänomene im Sinne von phänotypisch als Erscheinungsform sind keine Kunst.
Es geht bei der Verwendung technisch-wissenschaftlicher Mittel zudem nicht um die Nutzung einer vermeintlichen, oft zitierten Autorität der Wissenschaft. Der Begriff der „Autorität“ der Wissenschaft und nicht der Kunst ist fragwürdig. In meinen Augen ist gerade die Wissenschaft nicht beständig, denn die Wissenschaft erneuert und überholt sich durch neue Erkenntnisse fortlaufend, hingegen kann die Kunst zeitlose Werke erschaffen, die durch nichts zu verdrängen sind. Also Autorität der Wissenschaft für den Moment ja, Autorität der Kunst für die Dauer auch. Sie sind sich ebenbürtig, auf ihre jeweils eigene Weise.
Die Wissenschaft war zur Wende des 19ten zum 20ten Jahrhunderts bereits schon einmal Treiber für das Entstehen neuer Kunstrichtungen. Die Entdeckung der Relativität führte zu einer Öffnung der Dimensionen und der Einbeziehung von Zeit in der Kunst, die Transparenz der Röntgenfotografie und der Zusammenbruch der Euklidischen Geometrie, des Newtonschen Ursache-Wirkung Prinzips und der bisher einfachen Berechnung von Raum und Zeit, das alles führte zur Öffnung neuer Horizonte und entfesselte die Vorstellungskraft vieler Künstler weltweit. Marcel Duchamp präsentierte sein skandalöses kubistisches Ölgemälde „Akt die Treppe herabsteigend“, in dem er mehrere Phasen einer Bewegung eines stilisierten Körpers gleichzeitig darstellt (kinetische Malerei), wie in der Phasenfotografie von Eadweard Muybridge. Er wurde von Ausstellungen ausgeschlossen und auch wegen des Titels angefeindet, denn ein Akt habe gefälligst in Ruhe zu sein. Die Wissenschaft inspirierte Picasso, Braque und ihn zu der kubistischen Darstellung des Bewegungsablaufes. Ohne Kenntnis der Wissenschaft ist dieses Werk nicht zu verstehen. Bei Duchamp war die Wissenschaft Teil des Inhaltes, in der modernen Wissenschaft kann dies auch sein, muss aber nicht.
Es stellt sich die Frage, ob Wissenschaft mit Kunst dargestellt wird, das wäre mir zu wenig, oder ob Kunst mit Wissenschaft erzeugt wird. Es ist die Geschichte, die sich mit diesem wissenschaftlichen Instrumentarium aufbauen und erzählen lässt. Dazu benötigt man als Künstler und auch als Betrachter eine weitere Ebene der Abstraktion in der Betrachtung der Dinge.
Als Künstler entwickle ich ein Konzept, um die Apparatur so zu gestalten und zu formen, dass sie für die Erzählung der Geschichte die bestmögliche Darstellung ist. Das Konzept kann nur aus einem tiefen Verständnis der technischen und skulpturalen Zusammenhänge, der Verdichtung auf die wesentliche Aussage entwickelt werden. Das ist vergleichbar mit dem künstlerisch hochwertigen Leinwandbild, welches aus Leinwand und Farbe besteht, aber nur durch das Handwerk mit Talent und allen künstlerischen Fähigkeiten zum Meisterwerk wird.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit dieser Betrachtungsweise meinen Werken nähern und vielleicht etwas für sich entdecken können.